Ikebana Schulen: SAGA GORYU

Die SAGA-Ikebanaschule gehört zu den ältesten klassischen Schulen des Ikebana. Sie wurde im 9. Jahhundert von dem japanischen Herrscher Saga gegründet, der eine im südosten der alten Kaiserstadt Kyoto gelegene Villa mit einem schönen Teich samt Insel besaß. Mit Chrysanthemen von dieser Insel arrangierte Herrscher Saga sein erstes Ikebana. Er vermachte diese Villa dann aus Bewunderung an eine religiöse Sekte und es entstand der Daikakuji Tempel, bis zum heutigen Tag die Zentrale und der Hauptsitz der SAGA-Schule.
Das Ikebana der SAGA-Schule wird in shippo arrangiert, das sind miteinander verbundene Metallringe, die einzeln oder in Zweier- oder Dreierkonstellationen benutzt werden. Das ausschließlich natürliche Material der SAGA-Gestecke wird wie in den meisten ande ren Ikebana-Schulen auch in bestimmten Stilen angeornet von shogonka über seika, heika und moribana bis zum neuesten shinshoka-Stil. Diese jüngste Art der Anordnung von oft nur einer Blüte und einem Blatt oder Zweig soll wieder zurückführen zur Hervorhebung der Schönheit und der Anerkennung des einzelnen Materials.
Bereits im 15. Jahrhundert entstanden schriftliche Aufzeichnungen über Ikebana, das zu dieser Zeit eine schon lange ausgeübte Kunst war.
Der derzeitige, junge 5.Headmaster der 1895 gegründeten Ohara-Ikebana-Schule, Ohara Hiroki, sagt, dass Traditionen weiterleben, indem sie in jeder neuen Generation so verändert werden, dass sie ihre Relevanz behalten.
So hat er im Februar 2020 in Zusammenarbeit mit Microsoft mithilfe hochmoderner Spitzentechnik Möglichkeiten virtueller Gestaltung gezeigt und im April 2022 anlässlich der 100-Jahr-Feier des Ohara-Chapters Tokyo von seinem (verstorbenen) virtuell dargestellten Vater eine virtuelle Gloriosa-Lilie überreicht bekommen, die er dann in ein – reales – Arrangement einfügte.
Weniger spektakulär, aber in ihrer Zeit neu und im Weiteren prägend für die Ohara-Bewegung, sind die Konzepte, die die vier voran gegangenen Headmaster entwarfen:
Der bereits als Bildhauer berühmte Gründer der Schule, Ohara Unshin  (1861 – 1916), suchte nach einem Ikebana-Stil, um die Schönheit einer natürlichen Landschaft auszudrücken, sowie nach einer Möglichkeit, die leuchtend farbigen, westlichen Blumen zu arrangieren, deren Import in Japan damals – also Ende des 19. Jahrhunderts – gerade begonnen hatte. So entstand das Moribana in flachen Schalen.
Sein Nachfolger, Ohara Kôun (1880 -1938), entwickelte die Techniken für das Moribana und verfasste dafür sowie für das Heika (Gestaltung in Vasen) Regeln, also Grundlagen für das Lehren. Außerdem erprobte er neue Unterrichtsmethoden.
Der 3. Headmaster, Ohara Hôun (1908 – 1995), hat Ideen der Literati-Maler in das Bunjin-cho ebenso wie Ideen der Rinpa-Maler in das Rinpa-cho und nach 1945 – damals sensationell – Gedanken der Surrealisten in das Ikebana übertragen. Außerdem erweiterte er die Ohara-Schule zu einer in vielen Ländern aktiven Organisation.
Sein Sohn, Ohara Natsuki (1949 – 1992), der nach seinem frühen Tod nachträglich zum 4. Headmaster ernannt wurde, schuf das Hana Mai (Blumentanz) und die Hana-Isho Formen, die sich besonders für moderne Räume eignen.
Und der nun 5. Headmaster, Ohara Hiroki, entwickelte neben den am Textanfang beschriebenen virtuellen Versuchen eine neue Gestaltung, die – bis dahin verpönt – sich kreuzende Linien zeigt, das Hana-kanade.
Die bereits genannten Formen und Stile gehören zum Lehrplan, der von streng festgelegten zu immer freieren und weiteren im Curriculum nicht aufgeführten Gestaltungen leitet. Dahinter steht der Gedanke des lebenslangen Lernens, der über viele Jahre hinweg zur Meisterschaft führt. So nehmen z.B. auch hochrangige Meister am alle ein bis zwei Jahre in Europa stattfindenden Meister-Seminar teil, das von dafür extra angereisten japanischen ProfessorInnen der Ohara-Schule geleitet wird, oder reisen zu entsprechenden Seminaren aus aller Welt nach Japan.

Text, Arrangements und Fotos: Christine Hamer